Ausstellung, Kunstaktionen, Gespräche, Kunstvermittlung, Essen
23.10.2013 — 22.11.2013
Martin Bothe, Sybille Feucht, Phillip Gloger, Hermann Josef Hack, Heidi Crew (Iven Einszehn, Oliver Krewitt, Markus Armbrecht, Alexander Schäder & Thomas Andrée ), Alexandra Karrasch, Lukas Lehmann, Matthias Marx, Thorsten Schneider, Mathieu Tremblin
++ Eröffnung – Mittwoch 23. Oktober 2013 – 19 Uhr ++
Unter dem Leitmotiv „Kunst geht nach Brot“ ist jene paradoxe Situation gemeint, dass Kunst einerseits sich in ihrer Eigengesetzlichkeit entfaltet und andererseits vor den widersprechenden Erfordernissen des biologischen und wirtschaftlichen Lebens steht. Obgleich Dichtung, Musik oder bildende Kunst, seit dem 19. Jahrhundert versteht sich Kunst oft als Gegengewicht zur Macht- und Marktorientierung der Gesellschaft, als eine Form höchst freier, unbedingter Suche.
Autonome Kunst will Wertschöpfung, Bereicherung, Bewusstwerdung und Vertiefung des Lebens abseits von finanziellen oder gesellschaftlichen Privilegien sein. Autonome Kunst betont ihre besondere Würde und Freiheit, die als solche in ihrer Unantastbarkeit im Grundgesetz Deutschlands verankert wurde. Autonome Kunst kann ihrerseits aber auch vollkommen unbeabsichtigt in den Wirtschaftskreislauf hineinrutschen, ob nun auf dem Kunstmarkt oder aufgrund der Existenznotwendigkeit der Künstler_innen.
Unter den Umständen zeitgenössische Kunst an einem anderen Ort als jenen institutioneller Anerkennung und Aufbewahrung auszustellen, nämlich in einem (Waren-) Kaufhaus, wird das diesjährige Leitmotiv von CYNAL direkt aufgegriffen. Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Kunst- und Warenwelt sollen gegenseitig verstärkt und gleichzeitig negiert werden. Anders als in herkömmlichen Läden werden nur wenige Ausstellungsobjekte von maximal zwei Künstler_innen im Raum gleichzeitig innerhalb kurzer Zeit (3-7 Tage) gezeigt. Ziel der Präsentation ist es Gegenwartskunst in Mitten des Dresdner Stadtraums und auf der Einkaufspromenade als ein Gegengewicht zur Waren- und Konsumwelt zu projektieren.
Anspruch der Ausstellung ist es nicht kunsttheoretische Aspekte zu thematisieren. Kunst über Kunst ist eine Domäne des 20. Jahrhunderts und hat heute viel an Reiz verloren, vielleicht hat es sich auch schon totgelaufen. Wir denken, dass es genau jene Selbstbezüglichkeit der Kunst ist, die eine breitere Öffentlichkeit mit Desinteresse straft.
Zeitgenössische Kunst ist nicht nur für den/die Künstler_in in vieler Hinsicht eine existenzielle Herausforderung, sondern auch als eine geistig-sinnliche Herausforderung für das Publikum erfahrbar. Ein Ziel der Ausstellung ist es daher, deutlich zu machen, in welchem Maße Kunst ihren Platz in einem kapitalistisch-liberalen System einnimmt und es wiederum selbst in Frage stellt.
Schließlich geht es CYNAL um die Aufklärung über aktuelle Verhältnisse von Kunst, Konsum und Verantwortung für und von Kunst. Dabei soll die inhaltlich-formale Konzeptionierung der Ausstellung eine emotionale Tiefe erreichen, die die Grenzen zwischen Affirmation und Widerstand; Konsumzwang und Kunstfreiheit durch die Unterschwelligkeit aufhebt. Selbstkritk ist dabei strengstens erlaubt.
Eine Rückbesinnung auf die handwerkliche Qualität und den mit dem Auge greifbaren Inhalt, der humoristisch bis politisch interpretiert werden kann, ist zielführend. Denn Qualität lässt sich schließlich besser vermarkten und greifbarer Inhalt ist leichter zu erkennen. Kunst bleibt ein intellektuelles Moment entgegen jeder Vermarktungsstrategie. Kunst bleibt Spiritualität des Künstlers, spiegelt seine Position wider und bildet seine seelische Existenz.
Unter dem Titel „Kunst geht nach Brot?“ wird ein Menü präsentiert, welches in ihrem Wesen als Gegenwartskunst zwischen Affirmation, Verrückung und Widerstand changiert. An dieser Stelle soll verdeutlicht werden, dass sowohl der Genuss als auch die Bedeutung von Kunst für den Menschen ein Grundbedürfnis wie Nahrung ist für den wir Sorge tragen sollten.
Beispielsweise berührt der Ultimediale Künstler Hermann Josef Hack mit seiner Aktion „BREAD BRANDING – BRANDMARKEN “mehrere Themen. Fast die Hälfte unserer Nahrungsmittel werden vernichtet, oft noch bevor sie in den Handel kommen. Brot wird am Ende des Verkaufstages als Heizmaterial verwertet, weil die Bäckereien zig Sorten bis abends kurz vor Ladenschluss verfügbar halten müssen, angeblich weil wir Verbraucher das so wollen. Während alle sieben Sekunden ein Kind unter zehn Jahren weltweit verhungert, leiden wir zunehmend an Übergewicht und machen teure Diäten. Durch das Branding im wahrsten Sinne mit Edelmarken in das Altbrot wird die Frage nach dem Wert, dem wahren Warenwert von guten Lebensmitteln gestellt. Auch der Kunstmarkt wird von den Interessen Derjenigen dominiert, welche die höchsten Preise zahlen und die teuersten Künstler für sich arbeiten lassen können. Dagegen halte ich das simple Zeichen des Brotes, des Teilens, sich Mitteilens, das nicht nur im Christentum eine hohe symbolische Bedeutung beinhaltet. Hier im alltäglichen Stadtbild soll es zum Nachdenken anregen und neue Sichtweisen vermitteln.
Zum zweiten Mal zeigt CYNAL eine kuratierte Ausstellung die sich einem speziellem Thema widmet und für eine Reihe steht, die in jährlichem Rhythmus wiederkehrt. Neben dem Printjournal widmen wir uns hierbei intensiv einer bestimmten philosophischen, soziologischen und kunsthistorischen Thematik.